Presseerklärung
Am Freitag, 16. September, verhandelt der Oberste Gerichtshof Griechenlands über das Rechtsmittel, das Gülaferit Ünsal gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes von Thessaloniki eingelegt hatte, mit der ihre Auslieferung nach Deutschland angeordnet wurde.
Nichts aber rechtfertigt Ihre Auslieferung.
Auf Grundlage eines Haftbefehls der deutschen Behörden wird Gülaferit Ünsal der Mitgliedschaft in einer „terroristischen Organisation“ beschuldigt. Die einzige Grundlage dafür ist ihre legale politische Aktivität, d. h. der Verkauf von Zeitschriften und ihre Teilnahme an Solidaritätskampagnen für türkische politische Gefangene.
Die strafrechtliche Verfolgung von Personen, die rechtmäßige politische Aktivitäten ausführen, auf Grundlage ihrer angeblichen Beteiligung an Organisationen, die die europäischen Regierungen willkürlich als „terroristisch“ charakterisieren, ist Gesinnungsstrafrecht und widerspricht dem strafrechtlichen Grundsatz, dass Handlungen und nicht Überzeugungen verfolgt werden. Bezeichnend ist auch, dass der deutsche Haftbefehl den Zeitraum 2003-2011 betrifft, eine Periode, in der Gülaferit Ünsal sich nachweislich in der Türkei aufhielt.
Die Auslieferung der türkischen Aktivistin an Deutschland bedeutet fast sicher ihre spätere Auslieferung an die Türkei, das Land also, welches weiterhin politische Gefangene in Isolationsgefängnissen des F-Typs einsperrt, die von verschiedenen Seiten begründet als eine Weiterentwicklung der „weißen Folter“ bezeichnet werden. Die ernsthafte Bedrohung ungerechfertigter Inhaftierung von Gülaferit Ünsal unter Bedingungen der psychischen und physischen Folter macht die Forderung, daß sie nicht ausgeliefert wird, noch dringender.
Schließlich sei angemerkt, dass Gülaferit Ünsal in Griechenland Antrag auf Gewährung politischen Asyls gestellt hat, der nie bearbeitet werden wird, wenn sie an Deutschland ausgeliefert werden sollte.
■ Wir bestehen darauf, daß eine legale politische Aktivität nicht als Teilnahme an einer “terroristischen Organisation” charakterisiert werden kann.
■ Wir bekunden unser starkes Misstrauen gegenüber den Listen „terroristischer Organisationen“, die die europäischen Regierungen absolut undurchsichtig zusammengestellt haben.
■ Wir widersetzen uns jeglicher Handlung, die Gülaferit Ünsal in die Gefahr der Rückführung in die Türkei bringt, wo sie ernsthaft bedroht wäre, unter unmenschlichen und qualvollen Bedingungen inhaftiert zu werden.
■ Wir sind gegen die Auslieferung von Gülaferit Ünsal an Deutschland. Wir fordern die Befassung mit ihrem Asylantrag und die Bewilligung politischen Asyls in Griechenland.
Athen, 13-9-2011
Gruppe der Anwältinnen für die Rechte der Flüchtlinge und Migrantinnen
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